Sozialismus

Sozialismus

Sozialismus (lat.), im modernen (Marxistischen) Sinne diejenige nationalökonomische Richtung, welche das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln und die kollektivistische Produktionsweise an Stelle der individualistischen anstrebt; im weitern Sinne die Bestrebungen, die auf eine völlige Umänderung der wirtschaftlichen Rechtsordnung abzielen und namentlich gegen das Privateigentum und den freien Wettbewerb gerichtet sind. Zu letzterm gehören: a. der Kommunismus (s.d.); b. der Agrar-S. (Henry George in »Progress and Poverty«, 1879, Alfred Russel, Wallace, Flürscheim), verlangt nur die Abschaffung des privaten Grundeigentums und des privaten Grundrentenbezugs (s. Bodenreform); c. der Genossenschafts-S. (Louis Blanc, Lasalle), fordert die Bildung von Arbeiterproduktivgenossenschaften mit Staatsunterstützung; d. der Mutualismus (Proudhon), wünscht die Beseitigung von Geld und Zins, sonst aber die Aufrechterhaltung der individualistischen Produktionsweise. Über den Staats- und Katheder-S., s. Kathedersozialisten. – Der S. in dem weitern Sinne ist sehr alt. Zu seinen Vertretern gehören Plato, im »Staat«, Thomas Morus (»Utopia«, 1516), Rousseau, Saint-Simon (1819), Fourier (1808), Louis Blanc, Robert Owen, Fichte, Wilhelm Weitling (1842), Karl Rodbertus (s.d.). Alt sind auch die Bestrebungen, den S. in die Wirklichkeit zu überführen. Dazu gehören: die Shakers (entstanden 1787 im Staate Neuyork), die deutschen Rappisten oder Harmoniten (s.d.). Andere Versuche, wie der von Hertzka (Freiland), sind gescheitert Das am weitesten verbreitete System des S. von Karl Marx (zuerst 1848) beruht auf der materialistischen Auffassung, daß alle bisherige Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen gewesen sei. Für das Verständnis der jetzigen Zeit glaubt Marx den Schlüssel in seiner Werttheorie gefunden zu haben, nach der der Arbeiter mehr Werte schafft, als ihm bezahlt werden. Den Mehrwert entzieht der Kapitalist dem Arbeiter und benutzt ihn zur Bildung des Kapitals. – Vgl. »Geschichte des S. in Einzeldarstellungen« (1895), Stegmann und Hugo (1894), Dühring (3. Aufl. 1879), Pöhlmann, »Geschichte des antiken Kommunismus und S.« (2 Bde., 1893-1901), Kathrein (6. Aufl. 1894), Laveleye (1895), Marx, »Das Kapital« (1890; 1893; 1894); Georg Adler (Tl. 1, 1899); Jaurès (franz., 4 Bde., 1903), Brunhuber (1905).Der christliche S. bezeichnet die Richtung, die vom Standpunkte des Christentums tiefgreifende sozialchristl. Reformen zugunsten der Schwachen und Besitzlosen fordert, begründet durch Viktor Aimé Huber (s.d.) und J. H. Wichern (s.d.). Weitere Ausbreitung erfuhr dieser durch Gründung der Christlich-sozialen Partei (s.d.), veranlaßt durch das Buch des Pfarrers Todt: »Der radikale deutsche S. und die christl. Gesellschaft« (2. Aufl. 1878) und in den Evangelischen Arbeitervereinen (s.d.).


http://www.zeno.org/Brockhaus-1911. 1911.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Sozialismus — ohne Demokratie ist widersinnig und funktioniert nicht einmal. «Willy Brandt, Erinnerungen» Was die Freiheit uns gibt, stiehlt sie dem Sozialismus, und was der Sozialismus uns gibt, stiehlt er der Freiheit. «Werner Finck» Der Sozialismus der… …   Zitate - Herkunft und Themen

  • Sozialismus — Sm (Sozialist m., sozialistisch Adj.) std. (19. Jh.) Neoklassische Bildung. Entlehnt aus ne. socialism (und frz. socialisme) als Bezeichnung einer Richtung, die das Gemeinwohl (das soziale Verhalten) über den Eigennutz stellen will.    Ebenso… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • Sozialismus — Sozialisten I. Sozialisten II …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Sozialismus — (hierzu Tafel »Sozialisten I u. II«), im weitern Sinn alle Bestrebungen, die eine Beseitigung der in der Gesellschaft herrschenden Klassenunterschiede bezwecken, im engern modernen Sinne dasjenige volkswirtschaftliche System, welches das… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Sozialismus — Der Sozialismus ist eine der im 19. Jahrhundert entstandenen drei großen politischen Ideologien neben dem Liberalismus und Konservatismus. Der Begriff war nie eindeutig definiert und umfasst die Breite Palette von Anarchismus über… …   Deutsch Wikipedia

  • Sozialismus — Marxismus Leninismus; Bolschewismus; Stalinismus; Maoismus; Planwirtschaft; Staatskapitalismus; Kommunismus * * * So|zi|a|lis|mus [zots̮i̯a lɪsmʊs], der; : politische Lehre und darauf beruhende Richtung oder Bewegung, die den gesellschaftlichen… …   Universal-Lexikon

  • Sozialismus — So·zi·a·lịs·mus der; ; nur Sg; 1 (in den Theorien von Marx und Engels) die Entwicklungsstufe der Gesellschaft, die dem Kommunismus vorausgeht (und in der es z.B. kein Privateigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln mehr gibt, die Ausbeutung …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • Sozialismus — sozial »das Zusammenleben der Menschen in Staat und Gesellschaft betreffend; auf die menschliche Gemeinschaft bezogen; gesellschaftlich; gemeinnützig, wohltätig, menschlich«: Das Adjektiv wurde im 18. Jh. – wohl unter dem Einfluss von… …   Das Herkunftswörterbuch

  • Sozialismus — 1. Begriff: a) Sammelbezeichnung für zahlreiche Gesellschaftsentwürfe bzw. Lehren zu deren Verwirklichung, die seit Ende des 18. Jh. entstanden sind, mit dem Ziel, eine Gesellschaftsordnung, in der Gleichheit, Solidarität und Gerechtigkeit… …   Lexikon der Economics

  • Sozialismus — der Sozialismus (Mittelstufe) politische Ideologie, die auf Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität basiert Beispiel: In manchen Staaten der Welt herrscht noch Sozialismus …   Extremes Deutsch

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”